Ich habe ja die letzten beiden Ausgaben des Klangkunstfests (2013 und 2014) intensiv vor Ort begleitet, mit verschiedenen Medien dokumentiert, und auf diesem Blog meine Eindrücke subjektiv weiterverarbeitet. In diesem Jahr konnte ich aus zeitlichen Gründen leider nicht so vorgehen, so dass der Blog nun vorübergehend auf 'Überlieferungen' angewiesen ist. Neben Bild- und Ton-Materialien möchte ich einige Auskünfte von Dir einfließen lassen, die wir in schriftlicher Q&A-Form per E-Mail zusammentragen.
Das Festival stand in diesem Jahr unter dem weit gefassten Thema »Formen der Erscheinung«. Das ist ja an und für sich erst mal ein Faß ohne Boden, da kulturelle Praxis eigentlich immer Formen und Erscheinungen hervorbringt. Aber Du hattest natürlich etwas spezifischere Vorstellungen.
Was waren Deine Erwartungen vor dem Festival und bei der Programmplanung, hinsichtlich der Behandlung dieses Mottos, und eventuell gar hinsichtlich einer 'Verselbstständigung' des Festivalthemas – sowohl in einzelnen Beiträgen als auch im Gesamtprogramm?
Zunächst ein paar Vorbemerkungen:
Das diesjährige Klangkunstfest “Formen der Erscheinung” interessierte sich besonders für den prozessoralen Aspekt von Form, also dafür, daß eine Form entsteht, dauert und wieder vergeht. Dies analog zum klingenden Ereignis, das (auch) dadurch als Gegenstand und Medium der künstlerischen Untersuchung prädestiniert war. Die drei Phasen der Existenz gelten natürlich für absolut jegliche erkennbare Formen, auch für solche aus dem Bereich kultureller Praxis – die ich damit ausdrücklich mitten in den alltäglichen Zusammenhang stellen will, Kunst als Lebensmittel sozusagen. Der Titel “Formen der Erscheinung” rekurriert außerdem darauf, daß eine Form erscheinen muß, um überhaupt erkennbar zu sein. Damit ist der Fokus des Interesses wiederum auf die sinnliche Wahrnehmung gelegt, nicht auf eine rein logische Erschliessung der Formen durch Deduktion. Trotzdem kommt natürlich, das (phänomeno)logische Denken sofort, fast gleichzeitig/synchron zur eigentlichen Wahrnehmung ins Spiel, um das Wahrgenommene zu interpretieren, einzuordnen, zu kontextualisieren. Ein dritter inhärenter Bedeutungsstrang im Titel hebt auf den Unterschied (manchmal Widerspruch) eines inneren Wesens und seiner äusseren Form, der Art und Weise seiner Erscheinung.
Unter diesen Aspekten bin ich nach wie vor sehr glücklich mit dem Programm und seiner Zusammensetzung. Besonders interessant war es daher für Besucher, die alle Veranstaltungen erlebten. Davon gab es tatsächlich insgesamt drei. Es sollte natürlich jeder Abend und auch die Ausstellung als sinnvolle Einheit erlebt werden können, aber gemeint war auch und besonders der Gesamtzusammenhang aller Veranstaltungen einschließlich der (völlig spontan angesagten) Soundwalks, der Ausstellung und dem reflektierenden Symposium als Abschluß.
Meine Erwartungen vor dem Festival waren eigentlich keine besonderen z.B. auf Verselbstständigung des Themas. Es war vor allem Vorfreude, die verschiedenen Beiträge und die tollen KollegInnen selbst zu erleben und die Hoffnung, daß diese Erfahrungen ihre Spuren und Erkenntnisse hinterlassen würden – was auch absolut der Fall war.
Inwiefern haben sich diese Erwartungen erfüllt, inwiefern haben sie sich eventuell auch im Laufe der Veranstaltung verändert?
Also haben sich im Prinzip die Erwartungen erfüllt. Ich würde nicht sagen, daß sich Thema und Fragestellungen selbstständig machten, sie erfuhren nur mannigfaltige kleine Erweiterungen, Umdeutungen und unterschiedliche Antworten. Manchmal gelang es sogar, Einzelnes in den Ansagen der KünstlerInnen und vor allem in den interessanten Pausen-Gesprächen mit den BesucherInnen (die selbst manchmal KünstlerInnen waren) dingfest zu machen und auf den Punkt zu bringen.
Wie hat sich die begleitende Diskussion, sowohl im Symposium als auch informell, hinsichtlich des Festivalthemas entwickelt? Welche Rezeptionsweisen wurden artikuliert, welche Bezüge zwischen dem Dargebotenen und dem thematischen Fokus wurden seitens der Besucher und der Beteiligten offengelegt?
Insofern war die begleitende Diskussion eigentlich immer an der jeweiligen Sache und an konkreten Programmpunkten orientiert. Wobei daraus natürlich auch öfter allgemeingültige Aussagen hervorschienen. Ein schönes Beispiel für eine solche Situation war z.B. als ich Rainer Rubbert fragte, ob er auch etwas zu seinem Klarinetten-Solo-Stück sagen möchte und er antwortete: “Nein, das will eigentlich gar nichts anderes bedeuten. Das ist nur Musik”. Und damit hatte er natürlich wunderbar Eduard Hanslicks Begriff der “Tönend bewegten Form”, die nichts bedeutet als sie selbst, ins Spiel gebracht, wie ich es auch bei der Programmplanung im Hinterkopf hatte. Insgesamt gab es so unterschiedliche Haltungen zum Begriff einer Form bei den mitwirkenden Künstler/innen, daß es den Rahmen hier sprengen würde. Im Prinzip präsentierte jedes Werk oder Aktion bzw. Aufführung/Performance jeweils andere Facetten und Herangehensweisen. Einen eher allgemeinen Zugang zum Thema gab es dann beim Symposium. Hier offenbarten sich interessanterweise auch wirklich riesige Unterschiede in den ästhetischen Vorstellungen und was klingende Kunst sein soll, von äußerst offen und avanciert bis zu einer ziemlich traditionellen Ansicht, die z.B. das Experiment nur als Vorarbeit zum fertigen Werk verstanden und ihm einen weit geringeren Wert beimaß.