Ich muss gestehen, ich verstehe nicht viel von Tanz ( > Zeitgenoessischem Tanz / Tanz-Performance ). Mir fehlt schlicht das Minimum an Fachwissen, um mich zu einer Tanz-Performance adaequat formal-analytisch aeußern zu koennen. Mir fehlt allerdings auch oft jener Zugang, der es mir ermoeglichen wuerde, leicht heraus zu entscheiden, was mir im Detail gefaellt und was nicht.
Sicher, ich kann in etwa beurteilen, wann koerperliche Bewegungen elegant, trainingsintensiv-beherrscht-anmutig erscheinen und ich kann in etwa beurteilen (aus meiner Kenntnis anderer zeitbasierter Kuenste heraus), wann sie in ihrer zeitlichen Abfolge eine stimmige Dramaturgie bilden. Vielleicht ist das ja auch schon alles, was ich beurteilen koennen muss, nur wie kann ich das wissen?
Sicher, es gibt auch noch den Kontext. Es gibt die raeumlich-architektonische Umgebung, die mit der Tanz-Performance bespielt und oft auch spezifisch angegangen wird (im woertlichen Sinne). Und es gibt Musik, Sound, in den meisten Faellen (? … zumindest in den meisten mir bekannten Faellen…), und Musik/Sound behaupte ich wirklich gut beurteilen zu koennen.
Nur: wann soll ich die Tanz-Performance als zur raeumlich-architektonischen Umgebung und/oder zur Musik passend finden? Wann gelingt das Zusammenspiel? Wann wiederum gelingt eine absichtsvolle Entkopplung, eine absichtsvolle Unstimmigkeit? Niemand hat fuer mich gueltige, zugleich 'objektiv' erscheinende Antworten. Ich kann nur mit der Intuition des Laien (was oft gar nicht verkehrt ist, auch da wo man meint sich auszukennen!) Momente aufgreifen, die mich irgendwie 'beruehren' oder zumindest positiv irritieren, die eine Spannung aufbauen, die eine interessante Wendung, in aller Konsequenz eine Unwahrscheinlichkeit zu entfalten scheinen.
Trotz dieser Zoegerlichkeit, die inherente formale (und …semantische??) Qualitaet einer Tanz-Performance zu beurteilen, habe ich doch eine gewisse Grundauffassung vom integrativen Aspekt der Tanz-Performance, vom Verhaeltnis zwischen ihrem jeweiligen spezifischen Charakter und den raeumlichen, musikalischen, 'atmosphaerischen', intermedialen oder interdisziplinaeren Bedingungen.
Ich mag es nicht, wenn eine Dopplung geschieht, zumal wenn es keine formale Strenge im Bezug zur Musik gibt. (Ich bin da wohl ganz altmodisch, im Geiste des traditionellen Ballets: ich finde exakte Synchronitaet bzw. deutliche Interdependenz zwischen Bewegung und Musik durchaus ansprechend, und nebenbei, denke ich, vestaerken solche deutlichen Synchronitaetsmomente die Wirkung der absichtsvollen Asynchronitaet an anderer Stelle. Oder nicht?)
Mit Dopplung meine ich aber auch gar nicht so sehr das Verhaeltnis zum Musikalischen, sondern zum vorhandenen 'Atmosphaerischen', zu jenem womit der Ort 'aufgeladen' ist, und vor allem die ganz besondere Art von Ort – jene Art von Ort die mit einer Menge 'Bedeutung'/Geschichte/Ballast/Konflikt/Religion/Kulturerbe/Staatsmacht/Greueltat/Wohltat/Heilsverprechen/Heiligsprechungen/Mysterien/Raetselhaftigkeiten usw. 'aufgeladen' ist.
Kurzum, bei letzterer Art von Orten, den dezidiert absolut un-neutralen Orten, gefaellt mir die Dopplung nicht. Auch eine Dopplung durch Musik, oder durch Video-Projektionen, oder wodurch auch immer gefaellt mir da nicht; allerdings befuerchte ich, dass eine Dopplung durch Tanz-Performance mir noch ein kleines bisschen am wenigsten gefaellt. Kurzum, ich mag dann doch eher die Brechung, die formale Unwahrscheinlichkeit, die nicht-ritualhafte und nicht-ehrfurchtverstaerkende Intervention. Man kann Orte schlecht bekaempfen oder neutralisieren, sofern es sich nicht um white cubes oder black boxes handelt, und mit dem Versuch, einen uebermaechtig 'aufgeladenen' Raum verschwinden zu lassen, bringt man sich in hoechste Verlegenheit. Es gibt allerdings diverse schlaue und ueberraschende Moeglichkeiten, Orte mit etwas zu fuellen, das nicht krampfhaft gegen die 'Aufladung' des Ortes ankaempft, und doch etwas Unerwartbares, etwas aus dem Ort selbst nicht per se herauszulesendes hinzufuegt.
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