Das Trio BIT besteht aus einer Taenzerin, einem Taenzer und einem Musizierenden.
Es arbeitet grundsaetzlich mit einem intimen Setting, mit unsichtbaren Demarkationslinien in einem ortsspezifisch definierten Raum, der nicht allzu weitlaeufig sein soll; das Publikum soll moeglichst nah am Geschehen sein. Thomas Gerwins Klaenge sind leise, unverstaerkt; er erzeugt sie mit kleinen Objekten und Perkussionstechniken, die ohne große Resonanzkoerper auskommen sollen. Die 'Operationsbasis' ist begrenzt, es gibt keinen gewaltigen Aufbau mit unzaehligem Klimbim.
Die beiden Taenzer bewegen sich im vorgefundenen Raum, unter Einbeziehung der dort vorgefundenen (meist profanen) Gegenstaende wie Stuehle, Papierkoerbe usw. Jene Gegenstaende erzeugen ebenfalls Geraeusche, wenn sie von der Taenzern 'verwendet' werden, und dessen sind sich alle Beteiligten sehr bewußt.
Nun weiß ich, dass die Probenpraxis des Trios u.a. darin besteht, die von den Taenzern in der Bewegungspraxis erzeugten Geraeusche gezielt zum musikalischen Spiel in Beziehung zu setzen, das 'Verwenden' der umherstehenden Gegenstaende auch unter akustischen Gesichtspunkten gezielt zu verstaerken und ggf. etwas zu uebertreiben – eine Probenpraxis mit auditivem Fokus also.
Aber selbst wenn dies nicht der Fall waere, selbst wenn BIT die von den Bewegungen erzeugten Geraeusche (also auch Schritte, Schleifen am Boden, Reibung der Bekleidungsstoffe) nicht bewußt als zusaetzliche musikalische Elemente organisieren wuerde, waere BIT ein musikalisches Trio.
Weil: die Bewegung der Taenzer, auch die Momente der Nichtbewegung, die sich wandelnde koerperliche Praesenz im Verlauf der Zeit in ihren nicht-auditiven Aspekten einen hoechst musikalischen Charakter haben und im Verlauf der Performance beibehalten.
Dies liegt zum einen sicher an den Faehigkeiten der Taenzer. Wie zuvor erwaehnt: hierzu kann ich nicht viel sagen; ich kann diese Art von Faehigkeit nicht analytisch-begrifflich erfassen.
Zum anderen besteht die Musikalitaet dieses Trios aber auch in der spezifischen Konstellation zwischen dem Tanz und der Musik, wie sie bei BIT gespielt und ganz bewußt so gespielt wird, dass sich gegenseitig Raum und Atemluft gelassen wird, ein gegenseitiges Ueberrumpeln oder perzeptives Abdraengen streng vermieden wird, beide Elemente (Klang und Bewegung) in einem spannungsvoll-ausgewogenen Miteinander-Verhaeltnis gehalten werden. Dieses Miteinander-Verhaeltnis muss nie einem Verhaeltnis der Begleitung oder Untermalung oder Aufpeppung weichen, wodurch eine nicht selbstverstaendliche Gleichzeitigkeit von unaufgeloester Spannung und Leichtigkeit entsteht. Es wird die plumpe Dramatik vermieden; wenn es Dramatik gibt (ich empfand es durchaus so bei der Unterwelten-Performance), so wird diese subtil aufgebaut, mit leicht angehobenen Gesten und mit behutsamen Intensivierungsschritten.
Kurzum, alle Merkmale einer 'guten' Musik, die zugleich 'leise' und 'spannend' ist, kommen hier zusammen, ohne dass ein Element wegzudenken waere.
Bei der Komposition »Sitzen bleiben« wird das Spektrum um eine Videoprojektion von Carlos Bustamante erweitert, ohne dass eine Ueberladung stattfindet. Der entscheidende Punkt: die Projektion fungiert, obgleich fast durchgaengig abbildend, in erster Linie als einzige Lichtquelle in der Performance und wird von Anfang an, zunaechst als Schattenwurf-Feld, von den Taenzern als raeumlich-visueller Sichtbarkeitsrahmen genutzt. Die Taenzer sind sozusagen von der Projektion abhaengig, um visuell voll und ganz praesent zu sein, gleichzeitig scheren sie gelegentlich bewußt aus dieser Sichtbarkeit aus, in die Quasi-Sichtbarkeit des Restlichts. Ueberraschend ist das – erst nach einiger Zeit einsetzende – Auftauchen der beiden Taenzer im Videobild. Es geschieht nun eine Multiplikation der Koerper – die reale Praesenz von Britta Pudelko und Ingo Reulecke; ihre Schatten; ihre Abbildung im technischen Bild.
Um das klarzustellen: diese Verdreifachung hat rein gar nichts mit der 'Dopplung' zu tun, die ich im ersten Tanz-Text erwaehnte. Ganz im Gegenteil. Hier wird weder die Anstrengung unternommen, Bedeutung in den Raum hineinzutragen, noch wird der Bequemlichkeit nachgegeben, einen bereits per se mit Bedeutung aufgeladenen Raum mit belangloser ritualhafter Pantomime zu 'verschnoerkeln'.
Hier wird der Raum ohne bombastische Maßnahmen transformiert und mit Musik gefuellt (nicht nur auf auditivem Wege...) … und gute moderne Musik beinhaltet ja haeufig gezielte, ueberraschende Mulitplikationen und Spiegelungen ihres Materials.
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