Saturday, December 26, 2015

Wednesday, December 23, 2015

Interview mit Thomas Gerwin zum Klangkunstfest 2015 - 2. Teil

Der Klangkunstbegriff verengt sich ja hier und dort. Ich habe persönlich den Eindruck, dass es mal einen historischen Moment gab, in dem alles sehr offen gefasst war und auch das ganze Thema der Interdisziplinarität eben auch groß geschrieben wurde, und nun scheint der Trend eher wieder in Richtung Spezialisierung zu gehen, hin zu Teilbereichen der kulturellen Praxis die an ihren jeweiligen Definitionen von etwas wie Klangkunst festhalten und sich stark abgrenzen von anderen Konzepten, wie auch von offeneren Herangehensweisen.
Ist das mit den Formen und Erscheinungen vielleicht auch ein wenig in diese Richtung zu verstehen? Also, in Bezug auf den Gattungsbegriff 'Klangkunst' den Du ja mit Entschlossenheit hochhältst, und dabei sehr offen und ohne strikte Trennung zu Konzepten wie 'komponierte Musik', 'improvisierte Musik', 'Performance' etc. Das alles fließt in Deinen Veranstaltungen ganz selbstverständlch zusammen. Manch einer würde schon protestieren, dass es keine Klangkunst-Veranstaltung mehr sei, wenn der Anteil der konzertanten Aufführungen so und so hoch ist im Verhältnis zu installativen Arbeiten.
Siehst Du das auch so, dass in den letzten Jahren vermehrt Grenzen gezogen werden (natürlich nicht überall!) und nimmst Du darauf auch Bezug, in Programm und Programmatik, und in Deiner ganz eigenen Definition von Klangkunst?

Die Frage der Terminologie ist tatsächlich nicht zu vernachlässigen, können wir doch seit Wittgenstein Sachverhalte auch untersuchen, indem wir untersuchen, wie man sinnvoll darüber sprechen kann. Als ich 1988 in Tübingen mein erstes Festival konzipierte, wurde der Begriff “Klangkunst” nur ab und zu in eingeweihten Kreisen verwendet. Er war zu Beginn ganz offen, interdisziplinär, experimentell und beinhaltete alle möglichen Praktiken wie Ortsbezogenheit, Interaktivität wie auch die Inszenierung von Klang im Raum. Die Offenheit in jegliche Richtung gehörte nach meinem Verständnis essentiell dazu, war gerade das Spannende und Befreiende in der Öffnung des Wirkungskreises des Klanges in alle Richtungen. Es gab ganz verschiedene Herangehensweisen und unterschiedlichste Möglichkeiten, mit dieser Freiheit umzugehen, sie in gültige Formen oder auch Formlosigkeiten zu bringen. Dieses Verständnis das Begriffs Klangkunst schwingt tatsächlich bis heute in meiner künstlerischen und auch kuratorischen Arbeit mit. Deshalb ist das wichtigste bei den Klangkunstfesten immer das Thema. Dem ordnet sich alles unter bzw. zu, das bestimmt auch über die Arten der präsentierten eben sehr oftmals auch direkt initiierten Werke eines Festivals. Mein Ziel ist dabei, möglichst unterschiedliche Facetten, Aspekte eines Themas  anzusprechen, künstlerisch zu diskutieren und zu untersuchen. Deshalb wird auch von allen Beteiligten erwartet, daß sie sich in irgendeiner Weise zum Thema verhalten. Immanenter Bestandteil des Klangkunstfests ist der Dialog der KünstlerInnen untereinander und mit dem Publikum (das ja selbst viele KünstlerInnen enthält). In den abschliessenden Symposien hat die offene Herangehensweise übrigens praktisch nie zu Irritation oder Dissens geführt.
Trotzdem ist es natürlich wahr, daß der Begriff Klangkunst im allgemeinen Sprachgebrauch immer enger wird, sich immer weiter in Richtung bildender Kunst bewegt, die eben auch Klang als Material enthält. Damit einher geht dann die Fokussierung auf bestimmte Präsentationsformen wie Installation oder Environment. Ich glaube, daß diese Verengung damit zu tun hat, daß Klangkunst mittlerweile gesellschaftsfähig und damit marktfähig geworden ist. Und bei einer Ware ist natürlich die Marke wichtig, die auch dem Kunden klar signalisiert, was er zu erwarten hat, wenn er sie kauft. Vermarktungscoaches raten ja heute KünstlerInnen ganz offen dazu, sich nicht ständig selbst in Frage zu stellen oder neues zu probieren. Im Gegenteil soll eine Marktlücke gesucht, eine markante Marke gebildet werden, damit der kommerzielle Erfolg kommt. Das ist allerdings ganz klar nicht mein Verständnis von Kunst. Die soll, nein die muß ständig alles wagen, soll sich stetig und rastlos weiterentwickeln, ästhetisches Neuland zu erschliessen. Davon gibt es, wenn ich nur z.B. an den ganzen Bereich “multisensorialer” Kunsterfindung denke, noch unabsehbar viel.
Da aber tatsächlich der Begriff im Sprachgebrauch zunehmend enger wird, habe ich in meinem Artikel “Hören multisensorial” in den letzten, gerade erschienenen “positionen” als neuen offenen Begriff “Klingende Kunst” vorgeschlagen. Dieser Terminus soll sich dann auf jegliche Art von Kunst beziehen, die in irgendeiner Weise Klang nutzt, um sich auszudrücken. Der Name “Internationales Klangkunstfest Berlin” ist mittlerweile ganz gut eingeführt und sollte so bleiben, aber vielleicht sollte ich noch einen Untertitel anfügen z.B. “Festival aktueller klingender Kunst” – um deutlich zu machen, daß es hier um einen möglichst offenen Umgang mit klingender Kunst jeglicher Art geht.


 
















Abb. 
BIT 
(I. Reulecke, 
T. Gerwin, 
B. Pudelko)


Opening Concert Excerpt - 18/9/2015

Sunday, November 22, 2015

Interview mit Thomas Gerwin zum Klangkunstfest 2015 - 1. Teil























Ich habe ja die letzten beiden Ausgaben des Klangkunstfests (2013 und 2014) intensiv vor Ort begleitet, mit verschiedenen Medien dokumentiert, und auf diesem Blog meine Eindrücke subjektiv weiterverarbeitet. In diesem Jahr konnte ich aus zeitlichen Gründen leider nicht so vorgehen, so dass der Blog nun vorübergehend auf 'Überlieferungen' angewiesen ist. Neben Bild- und Ton-Materialien möchte ich einige Auskünfte von Dir einfließen lassen, die wir in schriftlicher Q&A-Form per E-Mail zusammentragen.

Das Festival stand in diesem Jahr unter dem weit gefassten Thema »Formen der Erscheinung«. Das ist ja an und für sich erst mal ein Faß ohne Boden, da kulturelle Praxis eigentlich immer Formen und Erscheinungen hervorbringt. Aber Du hattest natürlich etwas spezifischere Vorstellungen.
Was waren Deine Erwartungen vor dem Festival und bei der Programmplanung, hinsichtlich der Behandlung dieses Mottos, und eventuell gar hinsichtlich einer 'Verselbstständigung' des Festivalthemas – sowohl in einzelnen Beiträgen als auch im Gesamtprogramm?


Zunächst ein paar Vorbemerkungen: 
Das diesjährige Klangkunstfest “Formen der Erscheinung” interessierte sich besonders für den prozessoralen Aspekt von Form, also dafür, daß eine Form entsteht, dauert und wieder vergeht. Dies analog zum klingenden Ereignis, das (auch) dadurch als Gegenstand und Medium der künstlerischen Untersuchung prädestiniert war. Die drei Phasen der Existenz gelten natürlich für absolut jegliche erkennbare Formen, auch für solche aus dem Bereich kultureller Praxis – die ich damit ausdrücklich mitten in den alltäglichen Zusammenhang stellen will, Kunst als Lebensmittel sozusagen. Der Titel “Formen der Erscheinung” rekurriert außerdem darauf, daß eine Form erscheinen muß, um überhaupt erkennbar zu sein. Damit ist der Fokus des Interesses wiederum auf die sinnliche Wahrnehmung gelegt, nicht auf eine rein logische Erschliessung der Formen durch Deduktion. Trotzdem kommt natürlich, das (phänomeno)logische Denken sofort, fast gleichzeitig/synchron zur eigentlichen Wahrnehmung ins Spiel, um das Wahrgenommene zu interpretieren, einzuordnen, zu kontextualisieren. Ein dritter inhärenter Bedeutungsstrang im Titel hebt auf den Unterschied (manchmal Widerspruch) eines inneren Wesens und seiner äusseren Form, der Art und Weise seiner Erscheinung.

Unter diesen Aspekten bin ich nach wie vor sehr glücklich mit dem Programm und seiner Zusammensetzung. Besonders interessant war es daher für Besucher, die alle Veranstaltungen erlebten. Davon gab es tatsächlich insgesamt drei. Es sollte natürlich jeder Abend und auch die Ausstellung als sinnvolle Einheit erlebt werden können, aber gemeint war auch und besonders der Gesamtzusammenhang aller Veranstaltungen einschließlich der (völlig spontan angesagten) Soundwalks, der Ausstellung und dem reflektierenden Symposium als Abschluß.
Meine Erwartungen vor dem Festival waren eigentlich keine besonderen z.B. auf Verselbstständigung des Themas. Es war vor allem Vorfreude, die verschiedenen Beiträge und die tollen KollegInnen selbst zu erleben und die Hoffnung, daß diese Erfahrungen ihre Spuren und Erkenntnisse hinterlassen würden – was auch absolut der Fall war.


Inwiefern haben sich diese Erwartungen erfüllt, inwiefern haben sie sich eventuell auch im Laufe der Veranstaltung verändert?

Also haben sich im Prinzip die Erwartungen erfüllt. Ich würde nicht sagen, daß sich Thema und Fragestellungen selbstständig machten, sie erfuhren nur mannigfaltige kleine Erweiterungen, Umdeutungen und unterschiedliche Antworten. Manchmal gelang es sogar, Einzelnes in den Ansagen der KünstlerInnen und vor allem in den interessanten Pausen-Gesprächen mit den BesucherInnen (die selbst manchmal KünstlerInnen waren) dingfest zu machen und auf den Punkt zu bringen.    

Wie hat sich die begleitende Diskussion, sowohl im Symposium als auch informell, hinsichtlich des Festivalthemas entwickelt? Welche Rezeptionsweisen wurden artikuliert, welche Bezüge zwischen dem Dargebotenen und dem thematischen Fokus wurden seitens der Besucher und der Beteiligten offengelegt? 

Insofern war die begleitende Diskussion eigentlich immer an der jeweiligen Sache und an konkreten Programmpunkten orientiert. Wobei daraus natürlich auch öfter allgemeingültige Aussagen hervorschienen. Ein schönes Beispiel für eine solche Situation war z.B. als ich Rainer Rubbert fragte, ob er auch etwas zu seinem Klarinetten-Solo-Stück sagen möchte und er antwortete: “Nein, das will eigentlich gar nichts anderes bedeuten. Das ist nur Musik”. Und damit hatte er natürlich wunderbar Eduard Hanslicks Begriff der “Tönend bewegten Form”, die nichts bedeutet als sie selbst, ins Spiel gebracht, wie ich es auch bei der Programmplanung im Hinterkopf hatte. Insgesamt gab es so unterschiedliche Haltungen zum Begriff einer Form bei den mitwirkenden Künstler/innen, daß es den Rahmen hier sprengen würde. Im Prinzip präsentierte jedes Werk oder Aktion bzw. Aufführung/Performance jeweils andere Facetten und Herangehensweisen. Einen eher allgemeinen Zugang zum Thema gab es dann beim Symposium. Hier offenbarten sich interessanterweise auch wirklich riesige Unterschiede in den ästhetischen Vorstellungen und was klingende Kunst sein soll, von äußerst offen und avanciert bis zu einer ziemlich traditionellen Ansicht, die z.B. das Experiment nur als Vorarbeit zum fertigen Werk verstanden und ihm einen weit geringeren Wert beimaß.



Tuesday, October 20, 2015

Monday, September 21, 2015

In Absentia #001



[Bild-Klick > Vergrößerung]

Der Blogautor muss aus Terminkollisionsgründen leider den diesjährigen Veranstaltungen des Internationalen Klangkunstfests fernbleiben.
Das Experiment fußt nun also auf der Fragestellung: was passiert bei einem zeitversetzten Aufgreifen
von Dokumentations-Materialien, die weder selbst erstellt wurden, noch mit einem eigenen Erleben/Erinnern verknüpft sind, noch mit allzu vielen Begleitinformationen geliefert werden.



Tuesday, January 27, 2015

Inside/Outside Ensemble










































































































”Soundscape no.7“ ist eine Komposition fuer ein Ensemble, das über Innen- und Außenraeume
verteilt spielt. Die Aufnahme wurde im Gehen zwischen den Spieler-Positionen erstellt und
beschreitet den Parcours: Innen (1. Stock) > Treppenabstieg > Außen (Vorhof) > Treppenaufstieg
> Innen (1.Stock). Hier zu hoeren: ein Zusammenschnitt auf viereinhalb Minuten, bei dem der
Versuch unternommen wurde, einen nahtlosen Eindruck zu vermitteln – trotz der Schnitte (Positions-
Spruenge). Treppenabstieg und Treppenaufstieg sind dabei in voller Laenge beibehalten worden.

Komposition: Thomas Gerwin.
Kammerensemble ad hoc:
Ivo Berg, Thorsten Bloedhorn, Thomas Gerwin, Axel Haller, Klaus Janek, Dietrich Petzold,
Claudia Risch, Susanne Stelzenbach
2. Oktober 2014, Abschlusskonzert des Festivals in (vor) der Bibliothek am Luisenbad.